AN LAND GEWINNEN (oder: wie Carlos uns Entschleunigung lehrte)
Das war unser erstes Motto der letzten Woche.
Das zweite sollte werden: an Erkenntnis gewinnen. Aber dazu gleich mehr.
Der September war urplötzlich da. Um nicht irgendwann im tiefsten Frost in Westkanada anzukommen, galt es, endlich Strecke zu machen. Also schnallten wir in Toronto die Scheuklappen um und düsten gut gelaunt und bei bestem Road-Trip-Wetter über den frischsanierten Trans Canada Highway.
Die <unendlich langweiligen Weiten> in Zentralkanada, von welchen wir zuvor gehört hatten, entsprachen aus unserer Sicht eher <unendlich schönen Weiten>: wir durchquerten endlose Tannenwälder und passierten einen spektakulären Seeküstenabschnitt nach dem Nächsten.
Trotz allem Staunen hielten wir uns aber meist an die Devise: Weiterfahren.
Carlos war damit scheinbar nicht einverstanden und hatte andere Pläne mit uns. Auf der Strecke zwischen Ost und West sollte unsere Welttour zunächst zur Werkstatttour werden. Mitsamt aller dazugehöriger Up‘s and Down‘s und einer endlosen Achterbahn der Gefühle.
(Wer Interesse hat, kann die detaillierte Ausführung unten weiterverfolgen.)
Wir hatten uns vor Antritt unserer Reise darauf eingestellt, dass es nicht ganz einfach werden würde mit unserem alten Camper, und wir uns früher oder später in der Werkstatt wiederfinden würden. Dass wir aber innerhalb der ersten vier Wochen so viel Zeit und Geld investieren müssten, das erwischte uns doch eiskalt… am Ende stellten wir für uns aber auch fest: immerhin nur das. Wir haben uns. Uns geht es gut. Gut geht es weiter. Weiter machen zählt. Zahlen: Geld und Zeit sind auch nur das. Das ist alles nicht dramatisch.
Unter anderem die große Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit, welche wir in den letzten schwierigen Tagen in so vielen verschiedenen Situationen erlebt haben, ließ uns nicht aufgeben und immer wieder neuen Mut und neue Hoffnung schöpfen.
Nach einem Monat <on the road> hatten wir so unsere erste Lektion gelernt: Entschleunigung.
Thanks, Carlos.
Über einige Umwege und mit etwas Verzögerung gelangten wir so vom heißen Osten in den kühlen Westen oder auch: vom Sommer über den Herbst direkt in den Winter.
Die endlosen Fahr- und Wartezeiten nutzten wir nebenher zum Aufholen: Fotos aussortieren, Tagebuch schreiben, To-Do’s abhaken, Instagram füttern, Nachrichten schauen, Spanisch lernen, Cloud sichern, Hörbücher hören, Wohnzimmer aka Schlafzimmer aka Küche aufräumen, Videos bearbeiten, …
Auf Stand zu sein befreit ungemein. Und für alle Videogucker gibt es endlich bald <Stoff>.
Ps. A big Thank you goes to Frank Motor’s and to all the others along the way! You guys made our day(s).
BILDERGALERIE UNTER PHOTOS // TRANS CANADA HIGHWAY
BEWEGTE BILDER UNTER VIDEOS // TRANS CANADA HIGHWAY
.
.
.
Es folgt nun für alle Detailfanatiker ein kleiner Auszug aus unseren Reisechroniken, auch bekannt unter dem <autobiografischen Werkstattführer Kanada>:
Der Reisetagebucheintrag über die endlose unspektakuläre Fahrt war schon fertig geschrieben, als wir nach einer mittäglichen Duschpause am Highway (mittags eignet sich hier am besten: es ist einigermaßen warm und Isas Haare trocknen noch bis abends; die Trockenzeit von Patricks Haaren wird hier geheim gehalten), aufgeschreckt durch einen angebrannten Geruch und ein schleifendes Geräusch, anhielten. Der Blick in den Motorraum ließ uns noch mehr frieren. Das Kühlwasser im nigelnagelneuen Auffüllbehälter war fast weg. Shit. Was nun?
Wie noch öfter die nächsten Tage hieß es nun: 6 Mal D. Durchatmen. Denken. Diskutieren. Doktor Google fragen. Die beste Idee umsetzen. Das Glück im Unglück sehen.
Letzteres war in diesem Fall, dass wir zum ersten Mal an diesem Morgen unseren Mobile Hotspot mit Internet gefüttert hatten.
Nach unendlichen Minuten im Nirgendwo war unsere beste Idee dann: selber Hand anlegen. Zum ersten Mal in unserer beider Leben <reparierten> wir also ein Auto. Wir zogen alle lockeren Schrauben nach, entlüfteten das Kühlwassersystem und füllten neues Kühlwasser nach. Als ob wir es geahnt hätten, hatten wir uns nämlich in der Werkstatt in Toronto noch mit genügend Kühlwasser eingedeckt. Und tuckerten danach bis zur nächsten Tankstelle.
Den darauffolgenden Tag verbrachten wir damit, herauszufinden, wie wir die 100 Kilometer nach Winnipeg in die Werkstatt schaffen sollten. Am Ende waren wir Mitglieder im kanadischen Automobilclub und abgesehen davon nicht viel schlauer. Zum Abschleppen konnten wir diesen doch nicht wie gehofft nutzen, da man hierfür mindestens zwei Tage zuvor beigetreten sein musste. Clever. Nach stundenlangen Telefonaten vom Servicetelefon unseres neuen pakistanischen Freunds am Tankstellenimbiss entschlossen wir: wir tuckern weiter.
Wieder abends hatten wir es in Schleichfahrt und mit vielen Pausen tatsächlich bis nach Winnipeg zur Werkstatt geschafft. Dort traten wir früh am nächsten Morgen an und ließen uns beraten. Wir hatten mal wieder Glück: ein Mitarbeiter kam aus Deutschland. Die Sprachbarriere ist wirklich nicht zu unterschätzen.
Bis wir am Nachmittag die Diagnose erhalten sollten, hatten wir auf einmal unverhofft viel Zeit. Ein ganz neues Gefühl. Wir erkundeten die Stadt und fühlten uns fast wohl. Es gab überall Fußgänger- und Radwege. Und außer uns wohl keine Touristen. Gespannt kehrten wir zurück zur Werkstatt. Dort hörten wir gute und schlechte Nachrichten: das Kühlwassersystem schien einigermaßen in Ordnung (wir hatten also tatsächlich richtig <repariert>), dafür war die Lichtmaschine kurz vor dem Ableben. Während diese, gemeinsam mit einigen Dichtungen und dem Motoröl, am nächsten Tag ausgetauscht wurde, hatten wir wieder Zeit. Wir fanden einen Starbucks mit dem schnellsten Internet auf unserer bisherigen Reise und konnten in der Wartezeit unsere gesamten Fotos in der Cloud sichern. Großartig.
So eine ständige Achterbahn der Gefühle haben wir lange nicht erlebt.
Und sie sollte weitergehen. Nachdem wir erneut voll neuer Hoffnung mit Carlos weiterfuhren und alle 100 Kilometer zum erneuten Checkup anhielten, saßen wir gleich am nächsten Tag wieder im nächsten Nirgendwo Manitobas fest. Wir bemerkten, dass erneut eine größere Menge an Kühlwasser fehlte und sich an einem Verschluss etwas Wasser ansammelte. Hier musste das Leck sein. Also versuchten wir – als die Laien die wir waren – diesen fester zu drehen. Und zerstörten so alles. Plötzlich strömte das Kühlwasser nur so heraus. Shit. Again.
Die Nerven lagen kurzzeitig blank. Es wiederholte sich also die bekannte Routine (siehe oben). Nach einmaligen Versuch, den Verschluss doch noch zu retten gaben wir auf. Mit fachmännisch <geducktaptem> Tank fuhren wir die zwölf Kilometer zum nächsten Ort zurück.
Hier verbachten wir wieder endlose Stunden damit, herauszufinden, wie unser nächster Schritt sein sollte. Vom Servicetelefon unseres neuen asiatischen Freunds im Tankstellenshop erreichten wir den CAA (Ha - wir waren nun bereits mehr als 2 Tage Mitglied). Wir hofften noch, dass sie uns die 270km nach Winnipeg zurückbrachten, aber leider Nein. Weil wir die Differenz von 70km zu den inkludierten 200km selbst hätten zahlen müssen (und uns dies eventuell mehrere hundert Dollar kosten würde), sagten wir unserem neuen Freund, er sollte beim nächsten Rückruf des CAA das Abschleppen absagen.
Wir waren am Verzweifeln. Und mussten doch irgendwie weitermachen. Also orderten wir schon einmal vorsorglich einen neuen Sensor bei der Werkstatt in Winnipeg. Die letzte Hoffnung war nun, bei der örtlichen kleinen Unfallwerkstatt nachfragen, ob diese etwas hatten, mit dem wir den Tank zumindest einigermaßen abdichten könnten.
Das heutige Glück im Unglück war aber bereits auf dem Weg: plötzlich stand der Abschleppdienst neben uns. Shit. Dachten wir zuerst. Aber gemeinsam mit den beiden netten älteren Herren von Werkstatt und Abschleppdienst schafften wir nach mehreren versuchten Methoden das schier Unglaubliche: der Tank hielt dicht.
OK. Gut. Neue Situation.
Nach kurzem Überlegen entschieden wir uns, wieder einmal vorsichtig weiterzufahren.
Während wir noch unsere vorige Bestellung in Winnipeg absagten und bei einer Pause den Motorraum checkten (es war weiterhin dicht), hielten auf einmal zwei Geländewagen neben uns auf dem Standstreifen. Ein Österreicher samt Familie hatte uns gesehen und wollte helfen. Wir waren baff anhand dieser Freundlichkeit. Er hatte etwas Ahnung von alten VWs und einen Bruder mit Werkstatt im nächsten Ort. Wir tauschten kurz Erfahrungen und Kontakte aus und fuhren - der eine schnell, der andere langsam - weiter.
Nächstes Ziel war natürlich – wie es sich in einem Werkstattratgeber gehört: die nächste Werkstatt. Diesmal in Saskatoon. Dort wurden wir kurz vor Feierabend noch <behandelt>. Da wir überall etwas anderes hörten, überraschte es uns nicht, wieder einmal etwas Neues zu erfahren: es sei alles nicht so dramatisch. Wir können unter Rücksichtnahme einiger Faktoren weiterfahren.
And so we did.